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Rund um Besamung und Fruchtbarkeit der Kuh
Landwirt im Kuhstall

Rund um Besamung und Fruchtbarkeit der Kuh

Geschrieben von Nina Rittweg

Ohne Kalb keine Milch - das Thema Reproduktion ist ein Dreh- und Angelpunkt in der Milchviehwirtschaft, wenn es um Fragen der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität des Einzeltieres und der ganzen Herde geht. Damit hier die richtigen Entscheidungen getroffen werden können, muss das Wissen um Zyklus, Brunsterkennung und häufige Problempunkte der Kuh sitzen. In diesem Grundlagenartikel behandeln wir die gesunde, zyklische Kuh. Informationen zu Fruchtbarkeitsproblemen finden Sie im Artikel „Fruchtbarkeitsprobleme – die häufigste Abgangsursache der Milchkuh!“.

Der Zyklus der Kuh

Zuerst die Basics: Der normale Zyklus der Kuh dauert 21 Tage, einzelne Ausreißer ausgenommen. In jedem Zyklus laufen am Eierstock immer wieder die gleichen Schritte ab, um sicherzustellen, dass alle 21 Tage eine befruchtungsbereite Eizelle zur Verfügung steht. Dafür müssen natürliche viele Prozesse gleichzeitig stattfinden. Das sieht auf einer Zeitachse dann etwa so aus: 
 

Grafik Anöstrie Rind

Das ist auf den ersten Blick vielleicht etwas kompliziert – aber tatsächlich ist daraus bei der gesunden Kuh nur eine wichtige Erkenntnis zu ziehen: Eine Besamung der Kuh kann nur während der Brunst erfolgreich sein!

Die „Brunst“ ist kein Vorgang am Eierstock, sondern bezeichnet eine Phase, in der die Kuh empfängnisbereit ist und dies auch nach außen hin zum Ausdruck bringt. Diese Phase dauert etwa 36 Stunden und geht dem Eisprung voraus. Wird die Kuh in dieser Zeit besamt, stehen die Chancen auf eine Trächtigkeit sehr gut. Wird dieser Zeitpunkt verpasst, bleibt die Eizelle unbefruchtet und der Zyklus beginnt von neuem. Zwischen Ende der Brunst und Eisprung liegen dann noch einmal etwa 12 Stunden.

Die Brunst der Kuh

Brunstsymptome

Damit der Stier in der Natur den Zeitpunkt der Empfängnisbereitschaft seiner Kühe korrekt erkennen kann, wird die Brunst nach außen hin im Normalfall deutlich kommuniziert. Dazu zählen Verhaltensänderungen, klarer Schleim aus der Scheide und, wenn auch für uns nicht wahrnehmbar, Duftstoffe. Am deutlichsten zu erkennen ist die Brunst bei einer Kuh durch die Verhaltensänderungen:

  • Intensive Sozialkontakte
  • Intensives Selbstbelecken
  • Lautäußerungen (z. B. Brüllen)
  • Starke Unruhe (z. B. „Umhertigern“)
  • Aufspringen
  • Duldungsreflex (Aufspringen lassen)
  • Durchbiegen des Rückens. 

Hinzu kommen der klare Schleim, ein leichter Milchrückgang und ein leichtes Anschwellen der Scheide. Eine gesunde, zufriedene Kuh mit normalem Zyklus kündigt ihre Empfängnisbereitschaft also mehr als deutlich an. Es liegt dann nur noch am Menschen, dies auch wahrzunehmen

Warum sehe ich bei meiner Kuh keine Brunstsymptome?

Doch nicht immer zeigen die Kühe alle Brunstsymptome, manche zeigen sogar überhaupt keine. Das ist natürlich ärgerlich, denn das verlängert dann die Zwischenkalbezeit durch die sogenannte „unfreiwillige Wartezeit“ unnötig. Und die Ursachen dafür können vielfältig sein.

Brunstbeobachtung

Ganz grundsätzlich kann es natürlich auch leicht sein, dass man entsprechende Kühe einfach übersieht. In Studien zur Brunsterkennungsrate konnten mit einer einmaligen Brunstbeobachtung pro Tag nur etwa 60 % der stierenden Kühe erkannt werden – erst bei viermaliger Beobachtung pro Tag lag die Rate bei soliden 100 %. Doch nicht immer kann vier Mal am Tag die ganze Herde kontrolliert werden – die Tiere stehen tagsüber draußen auf der Weide, außerhalb des Blickfeldes, man ist selbst gerade mit Silieren so beschäftigt, dass man nur wenig Zeit im Stall verbringt, oder die Kühe zeigen sich einfach immer gerade dann, wenn man nicht hinschaut. Gerade Kalbinnen werden häufiger übersehen. Automatische Brunsterkennungssysteme können hier gut Abhilfe schaffen und detektieren in erster Linie die Aktivitätssteigerung sehr zuverlässig.

Stille Brunst

Aber dann gibt es auch eine echte „stille Brunst“. Die Kühe haben zwar einen funktionierenden Zyklus und könnten auch besamt werden, zeigen aber nach außen hin nichts. Da mag die Brunstbeobachtung so gut sein, wie sie will. 
Dies ist physiologisch häufig in der ersten Brunst nach der Kalbung der Fall. Auch in der zweiten zeigen nur etwa 50% der Tiere deutliche Brunstanzeichen. 
Treten jedoch gehäuft Probleme mit stiller Brunst auf, liegen fast immer fütterungsbedingte Ursachen zugrunde. Ein Energiedefizit im Allgemeinen, aber auch einzelne Entgleisungen wie Rohfasermangel, Eiweißüberschuss, Phosphor- oder Magnesiummangel zählen zu den Problemen, die eine stille Brunst verursachen können.

Auch Stress und Hitze oder eine zu hohe Luftfeuchtigkeit können dazu führen, dass kein Brunstverhalten ausgelebt wird.

Wenn Einzeltiere betroffen sind, liegen die Ursachen oft woanders: Klassisch sind dann Tiere mit (chronischen oder akuten) Schmerzen, insbesondere in den Gliedmaßen. Gerade Tiere mit Klauenproblemen lassen sich oft auch von der geänderten Hormonlage nicht dazu bewegen, sich mehr zu bewegen oder gar aufzureiten – dies würde die ohnehin häufig betroffenen hinteren Klauen deutlich mehr belasten. Tiere mit Schmerzen im Beckenbereich oder mit Fremdkörpern weigern sich oft, andere Tiere aufspringen zu lassen. Seltener treten auch genetische Linien auf, die (u. a. charakterlich) zur stillen Brunst neigen. 
Besteht das Problem grundsätzlich im Stall, können auch haltungsbedingte Ursachen infrage kommen, beispielsweise Kuhtrainer oder Lichtmangel (in Anbindeställen häufiger).

Zahlen, Daten, Fakten des Fruchtbarkeitsmanagements

Und jetzt zu den grundsätzlichen Fragen des Fruchtbarkeitsmanagements auf einem Milchviehbetrieb: Wann sollte eine Kalbin zum ersten Mal besamt werden? Was ist ein optimales Erstkalbealter? Wie lange trägt eine Kuh überhaupt genau? 
Hier sind die konkreten Zahlen, Daten und Fakten zusammengefasst.

 HolsteinFleckviehBraunviehGelbvieh
Zyklusdauer21 Tage
Brunstdauerca. 36 Stunden
Trächtigkeitsdauer280 Tag288 Tage290 Tage285 Tage

* Hinweis: Die Trächtigkeitsdauer unterliegt einer physiologischen Schwankungsbreite von einigen Tagen. Bei Zwillingen ist sie häufig verkürzt (ca. eine Woche). Überträgt eine Kuh, ist dies grundsätzlich noch kein Problem. Trotzdem sollte, um Geburtsprobleme zu vermeiden, eine Kuh nach 7 Tagen, eine Kalbin nach 5 Tagen eingeleitet werden.

 AlterGewichtZusatzinformationen
 HolsteinFleckviehHolsteinFleckvieh 
Geschlechtsreife7-12 Monate, Ø 10 Monate   
Zuchtreife13-17 Monate400 kg460 kgaufzucht- und fütterungsabhängig
optimales Erstkalbealter24 Monate24-26 Monate610 kg680 kgdies wäre aus wirtschaftlicher und physiologischer Sicht optimal - derzeit liegt es jedoch etwa bei 30 Monaten und höher

Und die optimale Zwischenkalbezeit? Das ist so einfach nicht zu beantworten. Ausführlichere Infos zu diesem Thema finden Sie in dem Spezialratgeber „Leistungsgerechte Zwischenkalbezeit“.

Exkurs: Zykluswissen der Kuh für Profis

Dieser Exkurs geht tiefer ins Detail, als für die tägliche Arbeit auf dem Betrieb notwendig. Doch ist es nicht uninteressant, was eigentlich alles für einen korrekten Zyklusablauf notwendig ist. Und dabei ist dies immer noch eine vereinfachte Version. Zur Wiederholung noch einmal die Grafik von oben - auf geht’s ans Eingemachte:

Grafik Anöstrie Rind

Wir beginnen an Tag 1 und befinden uns im Metöstrus. Gestern ist die Eizelle des letzten Zyklus aufgrund eines deutlichen Hormonsignals ordnungsgemäß gesprungen und macht sich nun auf den Weg zur Gebärmutter. Der Organismus geht nun ganz optimistisch davon aus, dass bestimmt bereits Spermien eingetroffen sind und die Eizelle befruchtet werden wird. Daher bereitet er sich auf die Einnistung und die Trächtigkeit vor.

Zunächst muss nun die Gebärmutterschleimhaut einen angemessenen Aufenthaltsort für die Eizelle bieten, damit beschäftigen wir uns aber hier nicht, denn das ginge nun wirklich zu weit. Wichtig ist hier zu wissen: Der Zugang zur Gebärmutter schließt sich nun, eine Besamung wäre jetzt zu spät.

Wir bleiben bei den Vorgängen am Eierstock – denn hier werden nun, im Diöstrus, Vorbereitungen getroffen, um den erwarteten Embryo bestmöglich unterstützen zu können. Dafür wird ein Gelbkörper gebildet. Dieser Gelbkörper ist tatsächlich gelb und produziert das Trächtigkeits-erhaltende Hormon „Progesteron“. Er wird an genau der Stelle gebildet, an der zuvor die Eiblase auf dem Eierstock geplatzt ist. Zur Sicherheit werden allerdings weiterhin Eizellen vorbereitet – denn man weiß ja nie. Doch solange der Gelbkörper aktiv ist, schafft es keine der Eizellen, komplett auszureifen. Nun wird auf ein Signal aus der Gebärmutter gewartet – ist dort eine befruchtete Eizelle angekommen?

Ist dies nicht der Fall, werden die Vorbereitungen auf die Trächtigkeit wieder abgebrochen: Der Gelbkörper wird wieder abgebaut. Wir befinden uns im Proöstrus – und ohne einen aktiven Gelbkörper schafft es nun die gerade im Hintergrund vorbereitete Eizelle, fertig heranzureifen. Sie ist der neue Hoffnungsträger. Für einen neuen Versuch müssen jetzt Spermien zur Verfügung gestellt werden – damit dies auch passiert, kommt die Kuh nun in Brunst. Der richtige Zeitpunkt für eine Besamung ist gekommen.

Der Östrus beginnt. Jetzt fehlt nur noch das richtige Hormonsignal – nachdem aus dem Gehirn, genauer gesagt aus der Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse, eine ausreichende Menge „LH“ ausgeschüttet wird, platzt die neue Eiblase, die neue Eizelle macht sich auf den Weg, die Spermien zu treffen - und der Eierstock macht sich daran, wieder einen Gelbkörper vorzubereiten.

FarmCHAMPs-Autorin Nina Rittweg
Autor

Nina Rittweg

Über Nina Rittweg: "Besser geht immer! Als Rindertierärztin stehe ich jeden Tag auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben: Ich sehe die Futtertische, die Silos, die Kühe und Kälber - und überall Potential, immer noch ein bisschen besser zu werden. Gerne trage ich mit meinem Wissen aus Studium, Wissenschaft und Praxis dazu bei!"

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